Wayback-Archiv mit personal memory loss

Heute geht es um Archive bzw. deren Standards, Kataloge und Informationssysteme. Persönlich habe ich keine Archiverfahrung (ausser einem kurzen “Schnuppernachmittag” im Archiv der Stadt Uster, das war aber alles sehr physisch und nerdy :-) Auch das Grundlagenmodul im ersten Semester zu Archivwissenschaft ist mir eher trocken in Erinnerung. Mit den Begrifflichkeiten konnte ich ohne (physische oder digitale) Beispiele aus der Praxis leider nicht viel anfangen.

Um das wieder ein bisschen in mein “Memory” zu bringen, hilft mir am besten der Vergleich zur Bibliothek (wo ich tätig bin). Im Bibliotheksbestand wird ein Medium normalerweise als eigenes Objekte erfasst. Im Archiv dagegen wird zuerst der Hersteller (Bestandesbilder/Aktenbildner, z.B. ein Autor) erfasst und daran werden dann die einzelnen Bestände gehängt. Innerhalb von einem Bestand kann es Serien geben, darin sind die AKten und darin wiederum die einzelnen Objekte. Auch die Person die den Bestand an das Archiv übergeben hat, wird erfasst; alles um auf der Metaebene den Entstehungszusammenhang abzubilden.

Um den Bestand abzubilden gibt es zwei Möglichkeiten:

  • Pertinenzprinzip (Bibliotheken): Geordnet wird nach dem Inhalt der Akten, nach dem Sachbetreffen (sogenannter Mischbestand). Geordnet wird z.B. nach Personennamen, Ortsnamen oder Zeiträume, ohne dass Rücksicht auf die Herkunft und den Entstehungszusammenhänge genommen wird.

  • Provenienzprinzip (Archive): Bildung und Abgrenzung von Archivbeständen mit einzelnen unikaten Objekten, bei denen der ursprüngliche Entstehungszusammenhang gewahrt bleibt (und in den Akten verzeichnet wird). Dies ist vor allem für die Forschung von Vorteil.

01 Metadatenstandards in Archiven - ISAD(G) und EAD

ISAD(G) = International Standard Archival Description (General)

Der ISAD(G) ist eine internationale Erschliessungsnorm für Metadaten in Archivsysteme, die auf der mehrstufigen Verzeichnung im Provenienzprinzip basiert. Die Normierung der Daten ist Voraussetzung für den späteren Datenaustausch zwischen archivübergreifenden Systemen. Die Basis des Standards ist die analoge Herangehensweise der sogenannten “Findbücher”. Der Standard wurde 1994 anhand dieser erstellt, heute würde das wahrscheinlich von Grunde anders aufgebaut (Zitat Herr Lohmeier).

Felder in ISAD(G)

Der ISAD(G) ist in verschiedene Felder aufgeteilt: Identifikation (des Dossiers), Kontext (woher stammt das Dossier), Inhalt und innere Ordnung (Form, benötigt es ein (Mikrofilm)lesegerät, etc.), Zugangs- und Benutzungsbedingungen (ist es lesbar, welche Schrift ist es, physische Beschaffenheit, weitere Findmittel) (Quelle: Skript Archiv HTW).

Die 6 Pflichtfelder sind:

Signatur
Titel
Provenienz
Entstehungszeitraum
Umfang
Verzeichnungsstufe

Grenzen von ISAD(G)

  • Ein einzelner Datensatz ist meist nur im Kontext verständlich (“Protokoll”) und es ist keine Mehrfachzuordnung möglich (die “Tektonik”, also der Aufbau, ist eindimensional, ein Objekt kann nur an einem Ort angehängt werden).
  • Auch sind die Normdaten nicht “standardmässig” im Standard drin (wie z.B. in bibliothekarischen Metadatenstandards wie Marc21). Deshalb wurde ein zusätzlicher Standard names ISAAR(CPF) entwickelt, der aber wegen dem Zusatzaufwand selten verwendet wird.
  • Leider gibt es auch keine Vorgaben zur DILZA (digitalen Langzeitarchivierung), eben weil der Standard schon recht alt ist. Jedoch leitet sich daraus etwas Positives für die Praxis ab: durch das Fehlen der Komponente “Digitalisierung” in diesem Archiv-Standard, orientieren sich die Archive jetzt stärken an den Bibliotheks-Standards, z.B. was digitale Austauschformate anbelangt, was schlussendlich eine bessere Zusammenarbeit ermöglicht (Zitat Herr Meyer).

EAD = Encoded Archival Description

Ein solcher “digitaler” Standard für Archive ist EAD. Dies ist ein dokumentarischer XML-Standard zur Beschreibung von archivische Repertorien (“Findmitteln”) und dient als Austausch-Format. Die aktuelle Version ist von 2015, entwickelt wurde der Standard 1995 an der University of California, Berkeley in Form einer DTD (Documenttypdefinition) für SGML (Markup Language).

Aktuelle Entwicklungen bei Metadatenstandards in Archiven

2016 wurde unter dem Namen RIC (Records in Contexts) der erste Entwurf für einen neuen, umfassenden archivischen Verzeichnungsstandard vorgestellt, der an die Stelle der existierenden Standards ISAD(G), ISAAR(CPF), ISDF und ISDIAH treten soll. Dieser neue Standard soll mehr als nur eine Harmonisierung der bestehenden Verzeichnungsstandards sein - vielmehr ist es der Versuch (der hoffentlich glückt :-), die veraltete “händische” archivische Verzeichnungspraxis den Bedingungen und Möglichkeiten der digitalisierten Gegenwart anzupassen. Die geschlossene, strikt hierarchisch organisierte, eindimensionale Tektonik wird mit einem offenen Netz (Linked-Data-Prinzip) ersetzt. So werden neue und mehrfache Beziehungen zwischen den Gegenständen (Entitäten) ermöglicht.

02 Installation und Konfiguration von ArchivesSpace

ArchiveSpace ist eine Open-Source-Software für Archivinformationssysteme, die institutionell bei Lyrasis, einem internationalen “Non-Profit” Bibliotheksnetzwerk aus den USA verankert ist. Mit ArchiveSpace lassen sich Akzessions-, Standort- und Bestandesinformationen und Metadaten der Archivobjekte verwalteten. Für die (externen) Nutzer’innen gibt es einen Onlinekatalog für die Suche. ArchivesSpace basiert auf den Metadatenstandards DACS, ISAD(G) und ISAAR(CPF) und unterstützt den Import und Export in EAD, MARCXML und METS.

Grundkonfiguration ArchivesSpace

Die Installation der Software haben wir schon selbständig zuhause gemacht. Grundsätzlich vertragen sich verschiedene Systeme in der gleichen (Server-)Umgebung nicht so gut, und jedes müsste einzeln auf einem virtuellen Server (oder ähnliches) installiert werden. Die beiden Programme, die wir bis jetzt brauchen (Koha für Bibi und ArchivesSpace für Archive) vertragen sich aber zufällig gut, und wir konnten die ArchiveSpace einfach zustäzlich auf der Virtual Machine installieren.

Während Koha nach Installation immer verfügbar ist, läuft aber ArchiveSpace nicht automatisch. Es muss jedes Mal neu gestartet werden über das Terminal mit diesem Befehl: archivesspace/archivesspace.sh - und ist dann nur solange verfügbar wie der Prozess im Terminal läuft.

Übung 1: Datensätze erstellen

Nach dem wir unser erstes eigenes Reository eröffnet haben, geht es nun darum, eigene Datensätze zu erstellen - diese können frei erfunden sein oder gemäss Beispieldaten aus anderen Archiven. Die einzige “freie” Anleitung für das Erstellen eines Datensatz ist von der New York University (“Create Your Own Record”), die offiziellen Anleitungen von ArchiveSpace können nur heruntergeladen werden, wenn man’ Mitglied des Vereins ist. Auf Empfehlung der Dozenten sollten wir aber zuerst auch versuchen, den Datensatz intuitiv zu erstellen - was sich (mit wenig Archiverfahrung) und ohne Beispiel aber als nicht so ganz einfach herausgestellt hat.

Erste Erkenntnisse

Der Unterschied von Accession und Resource scheint zentral zu sein, um überhaupt zu verstehen auf welcher Stufe der Archivierung man’ sich befindet. Hier ein Nachtrag aus der Vorlesung Nr. 5 mit Begriffsdefinitionen:

  • Accession: Erwerbungsdatensatz, Dokumentation des Eintritts (wegen vertraulichen Angaben oft nicht öffentlich - in der Übung haben wir das einfach auf “public” gesetzt)

  • Resource: Zentraler Nachweis auf der obersten Ebene der Verzeichnungsstufen, zum Beispiel zu einem Nachlass (kann aber auch direkt zum Objekt sein, wenn die Resource nur eine Verzeichnungsstufe hat). Zuerst wird nur eine Ressource angelegt, die an der Accession hängt.

  • Archival Object: Nachweis von Objekten auf weiteren Verzeichnungsstufen (Bestand=Fonds, Serie=Series, Akte=File, Einzelstück=Item). Sie werden als “Add Child” an vorhandene Resources gehängt.

  • Collection: Bestand

Quellen:
* Schweizerische Richtlinie für die Umsetzung von ISAD(G): https://www.loc.gov/ead/
* Grundlagen der Informationswissenschaften: Archivwissenschaft, unveröffentlichtes Skript, Rütte, 2017, HTW Chur
* Fachzeitschrift für Archiv, Bibliothek und Dokumentation: https://arbido.ch/de/ausgaben-artikel/2017/metadaten-datenqualit%C3%A4t/records-in-contexts-vom-baum-zum-netz
* https://bain.felixlohmeier.de